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Luzerner Dampfschiff / Saturday, May 26, 2018 / Categories: Video, News, Vierwalstättersee, Photo

Dampfschiff Wilhelm Tell und die Fahrt vom Samstag 8.8.1964

Dampfschiff Wilhelm Tell und die Fahrt vom Samstag 8.8.1964

Samstag, 8. 8. 1964

 


Wir schreiben das Jahr 1964. Die Landesausstellung Expo in Lausanne hat im April geöffnet. Nach 100 Tagen sind gleich viele Leute nach Lausanne gepilgert, wie die Schweiz zu dieser Zeit Einwohner hat, 5.5 Mio. Einwohner. Die Leute bestaunen die technischen Wunderwerke der 60er Jahre, wie das von Jacques Piccard gebaute U-Boot «Mésoscaphe» im Lac Leman.

 

Zurück auf den Vierwaldstättersee und zur Geschichte.
 

 

 

 

Am Samstag, 8.8.1964, fährt Dampfschiff Wilhelm Tell mit Kurs 26 von Flüelen nach Luzern.
Pünktlich verlässt das 1908 gebaut Dampfschiff Wilhelm Tell Flüelen. Der in Flüelen geborene Kapitän Georg Huber, mit seiner 7-köpfigen Mannschaft, fahren die Stationen Brunnen, Treib, Gersau an.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Fahrt führt zwischen den beiden Nasen, an den Fuss der Königin der Berge – der Rigi – nach Vitznau.

 

 

In Vitznau warten die beiden Alice’. Sie waren soeben bei Lysel in Vitznau zu Besuch und fahren jetzt nach Luzern. Die Rigi Dampfloki pfeift kurz und fährt ins Depot. Die holzigen Brücken werden eingezogen. Kapitän Georg Huber steht hinter dem Sprachrohr und gibt den Befehl für die Abfahrt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Kontrollgang durchs Schiff fragen englischsprechende Passagiere, wie der Berg auf der Backbordseite heisst. Es ist der Bürgenstock.

Am Fusse des Bürgenstocks, bei der Obermatt, liegt der Steinbruch. Am Freitag hatten Arbeiter grössere Sprengungen vorgenommen. Heute Samstag ist arbeitsfrei und keine Arbeiter sind im Steinbruch.

Zur gleichen Zeit sitzt Toni Zimmermann im damaligen Hotel Kreuz in Vitznau und schaut sich ein Fussballspiel im Fernsehen an. Toni besitzt einen Schiffsbetrieb in der Nähe der Schiffsstation Vitznau. Er vermietet an Touristen Ruderboote, die das südländisch anmutende Klima der „Luzerner Riviera“, wo Palmen und Orchideen gedeihen, auf dem See erkunden können.
 

Sein Schiff Aurora ist auf der Fahrt von Gersau nach Luzern, mit Gästen des Hotel Müller aus Gersau.

Das Dampfschiff Wilhelm Tell gelangt bald an die Station Weggis.

In Weggis gibt es die Bootswerft Würth. Der Grossvater von Rolf Würth ist vom Bodensee nach Weggis gezügelt und hat die Bootswerft aufgebaut. Die Schiffsvermietung der Ruderboote in Weggis floriert. Die Boote wurden durch die Schiffswerft Würth selber gebaut. Für Touristen war die Bootsvermietung neben dem Hotel Central in Weggis eingerichtet.

1. Teil als Video ansehen

 

 

Dampfschiff Wilhelm Tell

    


Das ehrwürdige Dampfschiff Wilhelm Tell hat eine Kapazität von 1000 Personen. Georg Huber ist am 1.1.1947  zum Kapitän befördert worden. Schon sein Vater war in Flüelen Brückenwart an der Schiffsstation der damaligen DGV – Dampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersee.


Georg absolvierte nach den obligatorischen Schulen in Flüelen, Sprachaufenthalte in Montreux und England. 

Für den Aufenthalt in England musste er vom Gemeinderat ein Empfehlungsschreiben einholen, damit er in England einreisen konnte. Als ältester von 4 Söhnen, die als Stationsbeamte, Zugführer und Lokomotivführer bei der SGV und SBB tätig waren, setzt er sich während den schweren Kriegsjahren tatkräftig ein und half überall, wo es möglich war.
Mit 20 Jahren konnte er als Kontroll-Matrose seine Arbeit aufnehmen. Im Sommerhalbjahr auf dem Schiff unterwegs und in den Wintermonaten arbeitete er in der Werft. Stetig übernahm er neue Aufgaben.


So wurde er im selben Jahr wie er geheiratet hatte, Kassier auf dem Schiff. In den 40er Jahren wurde er Schiffsführer und anschliessend Kapitän.
Das Dampfschiff Wilhelm Tell wurde als 24. Einheit in Betrieb genommen. Schon bei der Probefahrt 1908 hatte sich gezeigt, dass der Erbauerfirma Sulzer aus Winterthur, ein grosser Wurf gelungen ist. Der Dampfer reagierte zwar etwas träge, besass aber hervorragende nautische Eigenschaften.

Zusammen mit dem Schwesterschiff Schiller, waren die beiden Schiffe nicht nur sehr beliebt bei den Gästen, sondern schon damals richtige Photomodelle, wie uns die Chronik erzählt.
Das Schiff fuhr zuerst ohne Steuerhaus bei jedem Wetter von Luzern nach Flüelen und zurück, wie das Photo hier von Dampfschiff Italia mit Kapitän Huber.

In den 50er Jahren wurde das Schiff auf Ölfeuerung umgebaut, was wiederum die Funktion des Heizers als Mannschaftsmitglied eingesparte.

Das Schiff sollte noch einige Jahre fahren. Dass dann die Geschichte neu geschrieben werden musste, da Dampfschiff Unterwalden dem Verkehrshaus versprochen worden war, wird später noch einige Wellen werfen.

 

 

 

 

Zurück zur Fahrt von Dampfschiff Wilhelm Tell am Samstag 8.8.1964.

Dampfschiff Wilhelm Tell hat eine maximale Geschwindigkeit von 27.5 km/h. Es ist 63 m lang und 15 m breit. Das Schiff gelangt an die Station Weggis. An diesem Samstag sind 11 690 Personenfrequenzen notiert worden.  Und einige davon werden eine spezielle Situation erleben

Nach dem Fahrgastwechsel verlässt Dampfschiff Wilhelm Tell Weggis und steuert auf die Station Hertenstein zu. Dort warten die Gäste auf das hoffentlich bald ankommende Schiff. Was passierte jetzt an diesem 8.8.1964?

2. Teil als Video ansehen

 

 

 

Von Weggis nach Hertenstein - Felsabsturz am Bürgenstock

 

Aus der Tagespresse vom 10.8.1964 

die dramatischen Sekunden als die Welle das Dampfschiff Wilhelm Tell an der Station Hertenstein fast erfasst

 
Kapitän Georg Huber führt zur kritischen Zeit den letzten fahrplanmässigen Kurs von Flüelen nach Luzern. Mit dem Dampfer Wilhelm Tell hätte er um 20:16 in Hertenstein anlegen sollen. Das Landemanöver war bereits eingeleitet worden und den Maschinisten hatte er von der Kommandobrücke aus «Stopp» befohlen, als unvermittelt, mit ungeheurer Wucht eine Sturzwelle daher geschossen kam, die das sachte zufahrende Schiff an der Brücke zu zerschellen drohte. Geistesgegenwärtig kommandiert Kapitän Huber: «Mit voller Kraft Rückwärts!» und konnte damit den grossen, tausend Personen fassenden Salondampfer, der an der Brücke bereits fast stillgestanden hatte, wieder in Bewegung setzen und damit aus der Gefahrenzone bringen. Aber schon folgte, nicht minder heftig, eine zweite Sturzwelle und brachte den Wilhelm Tell wie eine Nussschalle ins Schaukeln, riss das Achterschiff gegen das Land zu und drehte den Bug in den See hinaus. In diesen Entscheidenden Sekunden befahl Kapitän Huber, der zum Glück die Ruhe nicht verloren hatte, energisch «Vorwärts» und auf dem Kamm der unheimlichen Welle, schaufelte der Dampfer, vom Sog fast noch an die die Brückenpfosten geschlagen, mit vollen Touren in den See hinaus, was seine Rettung bedeutete. Nachdem sich das Wasser beruhigt hatte, dreht Wilhelm Tell wieder auf Hertenstein zu, legte an der Brücke an und nahm die dort wartenden, von der aufschlagenden Sturzwelle jedoch vollständig durchnässten Passagiere auf.
Dank der Ruhe und Erfahrung des Schiffskapitäns und der Tüchtigkeit der Besatzung, konnte eine äusserte kritische Situation ohne Schaden gemeistert werden. Die Sturzwelle kam nämlich gerade im heikelsten Augenblick: Als der Dampfer stillstand und daher das Steuerruder keine Wirkung mehr ausüben konnte. Die rasche und richtige Reaktion des Mannes auf der Kommandobrücke, der zuerst glaubte, ein Erdbeben sei losgebrochen, hat die SGV von der möglicherweisen folgenschweren Havarie bewahrt.

 

 

Was ist genau an diesem 8.8.1964 in Weggis und am Bürgenstock passiert?

Um 20:12 lösten sich im Steinbruch am Bürgenstock mächtige Steinmassen, im Ausmass von 200'000 Kubikmeter, und stürzten in den Vierwaldstättersee. Die Anrissstelle lag ca. 160 m über dem Seespiegel. Eine riesige Sturz- und Grundwelle richtet an den Ufern grossen Schaden an. Die Höhe der Sturzwelle war zu Beginn 20 Meter. Auf der Seite des Bürgenstock wurden der Nauen, angebundene Boote und Wochenendhäuschen komplett zerstört.

In Vitznau senkte sich der Seespiegel um etwa 1.5 m. die nachfolgende Grundwelle überspülte das Ufergelände. Die vertäuten Boote zwischen Vitznau, Weggis und Hertenstein wurden stark beschädigt bzw. zerstört.

 

 

 

 

 

 

 

Die grossen Motorboote Weggis 1 und Weggis 2 von Rolf Würth wurden vernichtet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitän Huber, ein alter Seebär des Vierwalstättersee erklärt, er habe schon viele Stürme erlebt, auch ganz schlimme Föhnstürme im Urnersee.

 

«Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Die grosse Welle hob Wilhelm Tell hoch empor, und dann fiel sie tief herab. Ich hatte Mühe, das Schiff, dass nach dem Zusammenprall mit der fast schiffshohen Welle quer zur Fahrrichtung stand, wieder unter Gewalt zu bringen.»

 

 

 

 

Wie aus der Korrespondenz zwischen der SGV und der Mannschaft hervorgeht, wurden dem Kapitän für die wackere Zusammenarbeit, eine Prämie von CHF 100.—und den Mannschaftsmitgliedern von CHF 20.—entrichtet.

 

 

Weggis war am schlimmsten betroffen. Der Schiffslandesteg, der aus Beton und Eisen gebaut war, wurde von der zurückflutenden Welle weggerissen. Der Seegrund ist dort ca. fünf bis sechs Meter tief. Für einen Augenblick konnte man auf den Seegrund sehen.
Die Schäden an Schiffen und am Ufer waren immens. Der Kiesabbau am Bürgenstock wurde eingestellt und eine Untersuchung eingeleitet. Schutzmassnahmen wurden eingeleitet, um weitere Abstürze mit diesen Ausmassen zu verhindern.

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Teil als Video ansehen

 

 


1970 - Dunkle Wolken ziehen auf

Die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee entwickelte sich stetig. Die damalige Direktion entwickelte ein sogenanntes Flottenerneuerungsprogramm. Einfach gesagt, alte Dampfschiffe weg und neue Motorschiffe bauen. Die Aktionäre der SGV, die in den Kriegsjahren einen Kapitalschnitt erlebten wurden gebeten, sich mit neuem Geld am Flottenerneuerungsprogramm zu beteiligen. Dazu mussten die Kantone Zusicherungen abgeben. Der Kanton Luzern war der letzte Kanton, der am meisten bezahlen sollte.
Der Grosse Rat des Kantons Luzern sollte das Dekret absegnen. Ob es dazu kam und was es auslöste, hören wir vom damaligen LDU Grossrat Alfred N. Becker.
(O-Ton Alfred N. Becker Teil 1 ohne Werner M Teil)

Somit stand die Schifffahrtsgesellschaft im Sturm. Die Bevölkerung wollte die Dampfschiffe weiterhin fahren sehen. Die damaligen Luzerner Neuesten Nachrichten, mit dem Redaktor Noldi Amstutz, lancierte flugs eine Unterschriftensammlung für den Erhalt der Dampfschiffe. Die anderen Luzerner Tageszeitungen stiegen ebenfalls ein. Innert kürzester Zeit wurden Tausende von Unterschriften gesammelt.

Könnte man heute noch so eine Unterschriftensammlung lancieren. Dazu das Statement von Martinu Jérôme von der LuzernerZeitung.
Zu dieser Zeit wurde seitens der SGV entschieden, dass Dampfschiff Wilhelm Tell als erstes dennoch aus dem Verkehr gezogen wird.
Die SGV liessen Dampfschiff Wilhelm Tell am 4. Oktober 1970 zum letzten Mal fahren. Anlässlich der Herbstschlussfahrt vom 18. Oktober 1970, wurden die Unterschriften aus der Schweiz und dem Ausland, an die SGV übergeben. Der Druck auf die SGV nahm stetig zu. Durch weitere Kapitalerhöhungen konnten sich die Dampferfreunde im Verwaltungsrat der SGV positionieren.

Dampfschiff Wilhelm Tell wurde an Edi Räber aus Luzern verkauft. Dieser baute das Schiff zu einem Restaurantschiff um, und seit diesen Tagen ist der Salondampfer am Landungssteg 9 fest vertäut.
Nur ganz wenige Male ist der Salondampfer im Luzerner Seebecken anzutreffen, wenn er aufs Trockendock gefahren wird für die Schalenrevision.

 

4. Teil als Video ansehen

 

Zum Schluss geniessen wir den Wilhelm Tell von Rossini mit dem Feuerzauber der Pyromantiker Luzern vor dem Dampfschiff Wilhelm Tell.

 

 

 

Die ganze Geschichte ist in den letzten 2 Jahren entstanden.

 

in Erinnerung an meinen

Grossvater Kapitän Georg Huber, Luzern 1901 - 1981
Idee und Realisation: Bruno Gisi - Luzern 2018

 

 

 

 


Zeitzeugen

Alfred N. Becker, Luzern
Rolf Würth, Weggis
Toni Zimmermann, Vitznau
Jérôme Martinu Chefredaktor «Luzerner Zeitung»
Andreas Balsiger, Steinhausen - Interview

 

Dokumentarische Unterstützung


Stadtarchiv der Stadt Luzern
Staatsarchiv Kanton Luzern
Staatsarchiv Kanton Nidwalden
Fernseharchiv SRG Zürich
Archiv Luzerner-Dampfschiff.ch
Familien Archiv Kapitän Huber


Zeitungsartikel aus

Luzerner Neuste Nachrichten, LNN
Luzerner Tagblatt
Luzerner Vaterland
NZZ


Buch-Quellen

Schiffahrt auf dem Vierwaldstättersee, Liechti, Meister, Gwerder
Schiffbau - und Werftgeschichte der Schifffahrt Vierwaldstättersee, Gwerder
Virwaldstättersee, unsere Flotte, Staffelbach
Schiffe aus alter Zeit, Peter A. Meyer
Lasst die alten Dampfer laufen, Dampferfreunde
Dampfschiffkapitäne vom Vierwaldstättersee, Gwerder

Photos

Otto Gisi, Luzern
Bruno Gisi, Luzern
Verein Historisches Archiv Weggis

Audio

Ausschnitte der Radio Sendung "Letzte Fahrt von Dampfschiff Italia mit Kapitän Huber"  von Tino Arnold Radio DRS 21.9.1963


red.  Mithilfe - Zeitzeugen

Mario, Beat, Kurt, Urs, René, Martin, Trudi, Rita,

Mithilfe

Beat, Sandra, Enya, Cyril, Irene, Marcel, Beat, Walti, Ralf, Rolf, Inigo, Jodok, Paul, Edi


Musik
Enya Gisi, Luzern

 


Bis bald auf einem der 6 Dampfschiffe auf dem schönsten See zwischen der Königin der Berge - der Rigi - und dem Bürgenstock


www.Luzerner-Dampfschiff.ch

26.5.2018

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1 comments on article "Dampfschiff Wilhelm Tell und die Fahrt vom Samstag 8.8.1964"

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Wullimann Rita

Lieber Bruno, ich bin überwältigt von Deiner grossen Arbeit. Eine fabelhafte Zusammenstellung des damaligen Ereignisses. Ein ganz,ganz grosses Kompliment!

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